Darf man in zivilrechtlichen Verfahren ins Blaue hinein vortragen? Nein, sagt die Zivilprozessordnung.
Dieser Grundsatz ist einzuschränken. Der Bundesgerichtshof vertritt schon seit längerem die Auffassung, dass man in dem Fall, dass man keine Kenntnis von internen Vorgängen der Gegenseite haben kann, doch ins Blaue hinein vortragen darf, so lange jedenfalls der Vortrag nicht völlig absurd erscheint. Dementsprechend hat er auch bei der Frage des Großkundenrabattes entschieden.
Die Entscheidung enthält einen lapidaren Halbsatz. Der Einwand der Haftpflichtversicherung, der Geschädigte könne einen Großkundenrabatts in Höhe von x-Prozent (meist 20-30 %) beanspruchen, sei angesichts der „Größe des international tätigen Mietwagenunternehmens“ des Geschädigten hinreichend substantiiert. Man kann sich fragen, was diese Rechtsprechung für die Rechtsanwendung bringen soll, wenn in den Entscheidungsgründen des Urteils keine konkreten Angaben zur „Größe“ gemacht werden und auch der Name des Unternehmens aus Datenschutzgründen nicht veröffentlicht wird. Sie führt eher zur Rechtsunsicherheit als zur Rechtssicherheit, denn eine wünschenswerte Abgrenzung nach unten auch nach abstrakten Merkmalen enthält die Entscheidung nicht. Es kann sich also jedes angerufene Gericht seine Einzelfallentscheidung hierzu basteln.
Das LG München II und das OLG München beziehen jedenfalls im Anschluss an diese Entscheidung auch mittelständische und regional tätige Busunternehmen (ca. 80 Busse) in diese Rechtsprechung mit ein und haben die Berufung einer Haftpflichtversicherung auf einen pauschalen Großkundenrabatt von 30 % explizit als wirksam erachtet. Der Sprung von vermutlich mehreren tausend Fahrzeugen auf ca. 80 Fahrzeuge erschien den Gerichten als ohne weiteres mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vereinbar.
Dementsprechend wird die Berufung auf diese Einrede ab sofort zum versicherungswirtschaftlichen Pflichtprogramm bei geschädigten Unternehmen „aller couleur“ gehören.
Folge des substantiierten Einwands ist, dass der Geschädigte das Nichtvorliegen eines solchen Rabattes darlegen und beweisen müsste. Ein fiktiver Beweis einer negativen Tatsache ist aber nicht möglich. Dies kann also in der Regel nur durch konkrete Ausführungen zum Reparaturweg und durch Benennung des Reparateurs als Zeugen geschehen. Am einfachsten kann natürlich auch die Reparaturrechnung vorgelegt werden, was dann aber einem Abschied von der fiktiven Abrechnungsweise in diesem Bereich gleich kommt.
Auf dieses Ziel arbeiten die Versicherungswirtschaft und ihre Lobbyisten im Übrigen seit Jahren bei allen Verkehrsunfällen hin. Vom Bundesgerichtshof und der Instanzrechtsprechung erhält jene nunmehr Rückenwind, zunächst auf den gewerblichen Bereich beschränkt.